EVERY LITTLE THING by Samantha Young

Autor:Samantha Young
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2017-02-12T16:00:00+00:00

Auf dem Rückweg dachte ich, dass Vaughn der letzte Mensch auf Erden war, mit dem ich im Augenblick zu tun haben wollte. Genau deshalb hatte ich ja auch die Flucht ergriffen.

Doch als ich die wunderschöne buntverglaste Doppelflügeltür zu meiner Pension öffnete, in den Eingangsbereich trat und dort eine sehr dünne Frau mit falschen Brüsten sah, die sich mit Aydan stritt, wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte.

Es gab eine andere Person auf der Welt, auf die ich noch weniger Lust hatte. Eine Person, mit der ich mich wirklich nicht auseinandersetzen wollte, weil ihr Auftauchen immer nur eins bedeutete: Chaos.

Ich rede von meiner kleinen Schwester.

Wäre sie mir trotz all der kosmetischen Eingriffe nicht optisch immer noch ähnlich gewesen, hätte man an unserem Verwandtschaftsverhältnis zweifeln können.

Solange ich denken konnte, war Vanessa eine selbstsüchtige, verzogene Göre gewesen. Das lag nicht an falscher Erziehung, es war einfach angeboren. Teil ihrer Natur. Allerdings war sie nicht nur schrecklich. Als Kind hatte sie durchaus auch zarte Seiten gehabt. Ständig hatte sie verletzte Tiere mit nach Hause gebracht und gesundgepflegt – sehr zum Missfallen unserer Mutter. Und wenn Vanessa durch ihr impulsives Verhalten wieder einmal jemandem weh tat, hatte sie immer schreckliche Schuldgefühle. Meistens war ich diejenige, die unter ihr zu leiden hatte, und hinterher überschüttete sie mich dann mit Umarmungen, Entschuldigungen und Küssen.

So war das mit uns beiden. Wenn wir uns nicht zankten, schmusten wir miteinander.

Zu meinem Bedauern änderte sich das, als wir älter wurden. Wir waren charakterlich einfach zu verschieden. Während ich Hartwell und die Pension über alles liebte, empfand Vanessa das Küstenstädtchen und die Pension als unter ihrem Niveau. Sie sehnte sich nach der großen weiten Welt. Auch wenn ich nicht den Drang hatte auszubrechen, konnte ich sie verstehen. Trotzdem glaube ich, dass diese Verschiedenheit der Grund war, weshalb sie irgendwann anfing, sich in unserer Familie als Außenseiterin wahrzunehmen. Die Distanz zwischen uns wurde immer größer, und irgendwann, als sie sich in einen älteren Jungen verliebte, mit dem ich dann am Ende zusammenkam, zerbrach unsere Beziehung vollends. Ich hatte nichts von ihren Gefühlen geahnt, aber das änderte nichts daran, dass Vanessa mich fortan noch mehr hasste. Eine Zeitlang hatte ich gehofft, dass es nur eine Phase war und sie irgendwann darüber hinwegkommen würde, aber leider wurde unser Verhältnis nie mehr so wie früher.

Vanessa hatte ihr Aussehen und ihre Verführungskünste schließlich dazu genutzt, sich einen älteren, wohlhabenden Touristen zu angeln. Er nahm sie mit nach Los Angeles, wo er ihr falsche Brüste, Designerklamotten und hübschen Schmuck kaufte.

Zum Dank ließ sie ihn für einen jüngeren reichen Mann sitzen, aber weil der nur auf Spaß aus war, verführte sie gleich auch noch seinen Vater. Der spendierte ihr dann neue Lippen und jettete mit ihr zu seinem Anwesen in Südfrankreich.

Und so ging es weiter.

Meine Eltern hielt sie immer über ihre Reisen auf dem Laufenden, aber ich hatte sie seit fünf Jahren weder gesehen oder gesprochen.

»Gehen Sie mir aus dem Weg«, fauchte Vanessa meine Managerin an und kam ihr ganz nahe. Ihr Gesicht war dick geschminkt, und ihre

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